Das Volk gegen ... Christopher Nolan

16.11.2011 - 08:50 Uhr
Christopher Nolan vor dem Filmgericht
moviepilot
Christopher Nolan vor dem Filmgericht
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Heiß verehrt von den einen und als überhypt abgetan von den anderen: Christopher Nolan schreit wie kaum ein anderer aktueller Regisseur nach Anklage und Verteidigung zugleich. Schön, dass wir das Filmgericht haben.

Christopher Nolan hat sich mit seinen verzwickten Indie-Werken und später The Dark Knight zu einem der beliebtesten Regisseure unter den Filmfans dieses Planeten entwickelt. Doch mit seinem Traum-Heist Movie Inception hat er es eindeutig übertrieben. Das zumindest meint die Anklage. Doch lest selbst und stimmt ab, denn heute gibt es mit Christopher Nolan einen ganz schwierigen Fall vor dem Filmgericht.

Auf der Anklagebank: Christopher Nolan
Die Tat: Inception

Anklägerin: the gaffer
Verteidiger: Mattes

Führungszeugnis
Christopher Nolan machte einst durch den kompliziert rückwärts erzählten Memento von sich reden, bevor er sich mit Prestige – Die Meister der Magie und The Dark Knight in die erste Riege der Hollywood-Regisseure spielte. Aus dem Indie-Darling ist ein Publikumsmagnet geworden, dessen Filme regelmäßig Rekorde brechen. Als nächstes steht für Christopher Nolan The Dark Knight Rises an. Doch zuvor muss er sich erst einmal für Inception verantworten.

Anklageverlesung
Als hätte es nicht gereicht, dass Christopher Nolan dem Batman-Mythos jegliche Fantasie entzog, machte sich der Möchtegern-intellektuelle Übeltäter von einem Regisseur in Inception daran, auch noch unseren Träumen das Wunderliche, das Abwegige, das Schön-Grauenhafte zu nehmen. Denn in dem Heist Movie verkommt eine der faszinierendsten Facetten der menschlichen Psyche zum bloßen Plot Point, um ein paar bei Stanley Kubrick abgeguckte Zeitlupensequenzen unterzubringen. Inception, angeblich ein Film über große Gefühle und noch größere Träume, ist nichts weniger als einer der uninspiriertesten Filme der letzten Jahre. Um die inszenatoriche Einfallslosigkeit und inhaltliche Leere zu kaschieren, baut der Angeklagte ein vorgeblich komplexes Story-Gerüst auf, das die Zuschauer für nichts und wieder nichts an der Nase herumführen soll. Inception ist Fast Food im Kleide eines 5-Gänge-Menüs, das weder satt macht, noch sinnlich befriedigt.

Verteigung
Inception – das ist zeitgemäßes Blockbuster-Kino der Oberklasse. Zusammen mit Hans Zimmer orchestriert Christopher Nolan eine gigantische Reise durch Zeit, Raum und (filmischen) Traum. Es fällt auf, dass die Träume des Films vorrangig keine subjektiv-archaischen sind, wie in der Anime-Vorlage Paprika, sondern konstruierte, cineastische Ablagerung. Wir haben Heist-Rohmaterialien, Bond-Szenarien, Matrix-Folien – all diese Ebenen werden von Christopher Nolan stimmungsvoll inszeniert, um immer wieder durchbrochen zu werden. Am Ende finden wir uns dann an einer mythisch anmutenden Küste und berühren einen Hauch Ewigkeit. Inception ist ein Fest für die Sinne und gibt der Reise des Helden ein film-theoretisches Gerüst.

Schlussplädoyer der Anklage
Mag Inception auch noch so viele Ebenen vorweisen, stellt der Angeklagte mit seinem unfilmischen Expositionsgehabe der Dramatik und dem Gefühl ein langes, unbrechbares Bein. So kommt Inception mit all den erklärenden Monologen über Regeln und Abläufe der Traumwanderei wie eine abgefilmte Gebrauchsanleitung für ein unbequemes IKEA-Möbel daher. Schlimmer noch als diese ideenlose Prätention der nicht sonderlich einfallsreichen Bildwelten ist jedoch für die Anklage, dass Christopher Nolan durchaus begabte Schauspieler zur Verfügung hatte. Da verwundert es, dass selbst eine sonst dialogstarke Ellen Page dazu verdonnert wird, die ganze Zeit den verwickelten Erläuterungen eines Prozesses zu lauschen, dessen Potenzial vom Filmemacher in Gänze verspielt wird. Inception fehlt als Heist Movie die Spannung und als Traumfilm die Vorstellungskraft.

Schlussplädoyer der Verteidigung
Inception erschöpft sich weder im spannenden Heist-, noch im fantastischen Traumfilm. Christopher Nolan nutzt die Härte verschiedener Genres, um aus der Vielheit eine sensible und abwechslungsreiche Heldendramatik zu bauen. In einer Welt, die so sehr von medialer Anwesenheit und fremdgesteuerten Lebensvorstellungen bestimmt wird, ist ein solches Konstrukt nicht gefühlskalt, sondern zeitgemäßes Mittel der Erzählung. Leonardo DiCaprio spielt den lebendigen und gefährlichen Schlüssel zu dieser changierenden Welt. Er ist Großmeister der Traumhändlerei, gleichzeitig ein gebranntes Kind. Er ermöglicht die Mission erst, gefährdet sie gleichzeitig. Er verkauft sozusagen die oben genannten Ikea-Möbel, weiß selbst aber um die Eintönigkeit der ganzen Möbelkette, durchschaut das System. Die Träume, die Schichten usw. inszenieren eindrucksvoll die Lebenswelt eines Helden, der auf der Suche nach seinem verlorenen Leben ist und es letztlich findet. Das Heist-Motiv des letzten Großen Dings, das gedreht werden soll, ist emotional umgesetzt.

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