Das Volk gegen ... Terrence Malick

11.10.2011 - 08:50 Uhr
Das Volk gegen The Tree of Life von Terrence Malick
Fox Searchlight Pictures / moviepilot
Das Volk gegen The Tree of Life von Terrence Malick
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Wir lieben die Stars, aber manchmal gehen sie zu weit. Entschuldigungen bringen nichts mehr, es gibt nur eines: die schnelle Verurteilung. Heute steht Terrence Malick vor dem Filmgericht. Seine furchtbare Tat: The Tree Of Life.

Auch in dieser Woche tagt natürlich wieder unser altehrwürdiges Filmgericht und richtet mit aller aufbringbaren Kompetenz und Seriösität über einen schwierigen Fall im Filmbusiness. Auf der Anklagebank sitzt heute Terrence Malick, der US-amerikanische Regisseur von immerhin schon ganzen sechs Filmen während einer Zeitspanne von über vierzig Jahren. Wir werden darüber entscheiden, ob sein letzter Film The Tree of Life eine Verurteilung verdient. Sie, meine Damen und Herren Geschworenen, haben es in der Hand.

Auf der Anklagebank: Der mysteriöse Filmemacher Terrence Malick
Die Tat: The Tree of Life (2011)

Ankläger: Mattes Teschabai
Verteidigerin: CUT!!rin

Führungszeugnis
Die Karriere von Terrence Malick begann im Jahre 1973, als er es schaffte seinen Debütfilm namens Badlands – Zerschossene Träume mit einem Budget, das im Grunde nicht der Rede wert war, zu einem Klassiker zu machen, der noch heute Bestand hat. Alle paar Jahre dreht er wieder Filme, die nicht selten als Meisterwerke gelten. Neben der Regiearbeit betätigt er sich außerdem als Produzent und Drehbuchschreiber. Er kann zahlreiche Referenzen wie beispielsweise Golden Globe- und Oscarnominierungen und eine Goldene Palme vorweisen.

Anklageverlesung
Geehrtes Gericht, in diesem Jahr versündigte Terrence Malick sich mit seinem Film The Tree of Life an unserer kleinen Welt. Er missbrauchte die Kamera und eine begrenzte Anzahl von Schauspielern, um uns den Kinosaal zu einem Raum unendlicher Qualen zu machen. Er nutzte den heiligen Raptoren, den Blutrünstigsten der Saurier, um die Herzlichkeit des Universums darzustellen. Ich frage, was ist das? Ich sage: Wahnsinn. Dieser Mann, der mit Badlands geradlinige Kino-Magie schuf und uns ein unwiderstehlich modernes Roadmovie schenkte – dieser Mann hat sich schon mit The New World in die gefährlichen Tiefen der christlich-esoterischen Pocahontas-Wissenschaft begeben. Ich, verehrte Geschworene, ich bitte Sie, stoppen Sie diesen Mann! Wir wissen nicht, was er als nächstes tun wird. Doch ich ahne Bösartiges. Ich sehe, wie er die Entstehung der Welt parallel schneidet mit einem Baseball-Spiel und einer L’Oreal-Werbung. Verehrte Geschworene, tun Sie, was ihre Pflicht ist, bei allem Respekt vor seinen früheren Werken!

Verteidigung
Ich bitte Sie, verehrte Geschworene, was ist denn das für eine Argumentation? Zu jeder Zeit sagten Gesellschaften den Visionären unter ihnen Wahnsinn nach. Es ist die pure Angst, die aus Ihnen spricht! Sind es nicht kontroverse Werke, die letztlich wirklich Bestand haben? Erinnern wir uns nur an die wirkungsvolle Montage eines blutigen Massakers bei einem Arbeiteraufstand und der Schlachtung eines Rinds in Streik von Sergei M. Eisenstein. Scheinbar zusammenhangslose Bilder wurden durch Montage verbunden und entfalteten so eine gewaltige Aussagekraft, die die Dekaden überdauerte. In einigen Jahrzehnten gilt wohl auch The Tree of Life als ein solch bedeutungsschwangerer Meilenstein, und Sie, verehrter Herr Kollege, werden auf ewig als der Nörgler in Erinnerung bleiben.

Schlussplädoyer der Anklage
Natürlich, verehrtes Gericht, bleibe ich bei meiner Position, weiche nicht ein Haarbreit. Der Unterschied zwischen Heilung und Gift ist die Dosis. Zwanzig Minütige Erderuptionen, Flash-Backs die 10 Milliarden Jahre zurückreichen? Ich bitte Sie, all das noch einmal zu überdenken. Schauen Sie sich den Mann an! Terrence Malicks Wahnsinn bedeckt jede Einstellung dieses vergifteten Films. Wie WAGEN Sie es überhaupt, dieses verrückt gewordene Geschwulst mit den Werken Eisensteins zu vergleichen? Während dieser revolutionär befreit, nimmt jener ganz restriktiv gefangen! Ein Junge zerschießt Fensterscheiben mit einer Zwille, zankt sich mit seinem Bruder, hat das erste Mal erotische Gefühle – und dann ist er zur Strafe den Rest seines Lebens ein depressiver Sean Penn. Nein! Nein! Nein!

Schlussplädoyer der Verteidigung
Einspruch, euer Gnaden! Der Verweis auf den Zeugen Sean Penn kann an dieser Stelle nicht zulässig sein, wissen wir doch alle von der Kritik, die er, verprellt wegen seiner geringen Leinwandpräsenz, an dem Film übt. Der Zeuge ist also eindeutig befangen.

Verehrte Jury: Wenn Sie schnöde Unterhaltung wollen, schauen Sie sich nur um, sie ist in der heutigen Kinolandschaft en masse vorhanden. Wollen Sie jedoch Anspruch, wollen Sie filmästhetische Experimente, Risiko, Aufbrechung ihrer vernebelten, eingelullten Sehgewohnheiten, wollen Sie epochale Bilder und anregende Sinntiefe – dann, verehrte Damen und Herren, wenden Sie sich an Terrence Malick. Der Angeklagte ist in allen Punkten freizusprechen.

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