Matthias Schweighöfer - Die Ästhetik der roten Wangen

08.02.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Vaterfreuden
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Mit Vaterfreuden bringt Matthias Schweighöfer seine dritte Regiearbeit in die deutschen Kinos und wieder einmal werden die Zuschauer in Scharen in die Komödie rennen. Wir verfolgen Schweighöfers verhängnisvollen Aufstieg zu einem der größten deutschen Filmstars.

2010 war spannend. Der Schönbär wurde als Schmetterling des Jahres auserkoren und die Sonde Rosetta flog am Asteroiden Lutetia vorbei. Irgendwann im Verlauf dieser zwölf fesselnden Monate, so gebietet es die Fantasie des Beobachters, entschied sich Matthias Schweighöfer, zum König der deutschen Filmkomödie aufzusteigen. Womöglich kratzte der gefloppte, aber sehenswerte 12 Meter ohne Kopf (21.000 Zuschauer) an seinem Ego oder er hatte einfach viel zu viel Zeit am Set von Zweiohrküken (4,2 Mio. Zuschauer) verbracht. 2010, das war das Jahr von Friendship! und Tatort: Weil sie böse sind. Es war das Jahr, in dem Schweighöfer in seinem letzten guten Film, seiner letzten TV-Produktion und seiner ersten waschechten “Schweighöfer-Komödie” auftrat, ganz ohne Schweiger und mit ganz viel Schweigi. Markus Gollers Ossis-in-Amerika-Abenteuer entwarf die Parameter des Systems Schweigi, dem wir heute, vier Jahre später, Vaterfreuden zu verdanken haben.

Zwischen Schönbär und Rosetta finden sich die Wurzeln von Matthias Schweighöfers Status als einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Filmstars und verlässlicher Personifizierung des filmischen Durchschnitts, verarbeitet er doch seine überkommenen Geschlechterklischees mit der visuellen Experimentierfreude eines Nutella-Spots. Bei einem anderen Darsteller in seinem Alter könnten wir von jugendlichen Verfehlungen sprechen und darauf hoffen, dass dem Sturm zur Spitze irgendwann die besonnene Selbstreflexion folgt. Aber Schweighöfer ist kein Neuling auf dem deutschen Filmparkett, kein Theater- oder Fernsehdarsteller, der sich im Kino versucht. Seinen ersten TV-Film drehte er 1997 mit Andreas Dresen, der deutsche Fernsehpreis wurde ihm 2001 überreicht und den Grimme-Preis gewann er 2003. Vier Jahre später spielte er Theater unter der Regie von Frank Castorf. Schweighöfers Filmografie enthielt vor 2010 ebenfalls viel Durchschnitt, allerdings abwechslungsreichen Durchschnitt und vor allem zeugen Filme wie Soloalbum, Kammerflimmern, Kombat Sechzehn, Polly Blue Eyes oder Marcel Reich Ranicki – Mein Leben von einem Künstler mit Ambitionen, der seinen Weg und die Herausforderung sucht. Matthias Schweighöfer ist, vielen Unkenrufen zum Trotz, nämlich ein guter Schauspieler, das ist selbst in Friendship und seiner Drag-Darstellung in Rubbeldiekatz zu erahnen.

Schweighöfer studierte ein Jahr an der Hochschule für Schauspielkunst “Ernst Busch” in Berlin, jener Institution, in der sich kurz vorher mit Nina Hoss, Mark Waschke, Ronald Zehrfeld und Devid Striesow die Gesichter der Berliner Schule ausbilden ließen. Der Sohn zweier Schauspieler brach das Studium ab, lockte mit Soloalbum 400.000 Zuschauer in die Kinos. Was folgte, waren zunächst einmal keine Verschnitte des Erfolges, aber auch – oder deswegen? – 15 Monate Arbeitslosigkeit, wie er in einem Interview anmerkte. Vor diesem Hintergrund kann Keinohrhasen mit seinen vier Millionen Zuschauern als doppelte Initialzündung gelesen werden, einerseits für die Entwicklung von Til Schweigers Komödienrezept, andererseits für Schweighöfers Weg zum risikoresistenten Star. Der verlief weiterhin holprig, etwa im gar nicht “besonders wertvollen” Der Rote Baron, einem kreativen Desaster, das Schweighöfers enthusiastisch für den Krieg glühende Wangen in Leading Man-Proportionen zeigte. Neben dem Baron sieht selbst ein Nico Hofmann -Film wie eine Abhandlung von Eric Hobsbawm aus.

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